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Bericht vom 26.06.13 über die vom Aussterben bedrohten europäischen Sprachen und die Sprachenvielfalt in der Europäischen Union (2013/2007(INI))

Ausschuss für Kultur und Bildung

Berichterstatter: François Alfonsi

ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

zu den vom Aussterben bedrohten europäischen Sprachen und zur Sprachenvielfalt in der Europäischen Union

(2013/2007(INI))

 

Das Europäische Parlament,

–   gestützt auf Artikel 2 und Artikel 3 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union,

–   gestützt auf Artikel 21 Absatz 1 und Artikel 22 der Charta der Grundrechte,

–   in Kenntnis der Euromosaik-Studie der Kommission, in der bestätigt wird, dass europäische Sprachen aussterben, weil sie mit den vorhandenen Instrumenten nicht geschützt werden können,

–   in Kenntnis des UNESCO-Übereinkommens vom 17. Oktober 2003 zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes, das mündlich überlieferte Traditionen und Ausdrucksformen, einschließlich der Sprache als Träger des immateriellen Kulturerbes, umfasst,

–   unter Hinweis auf das Übereinkommen der UNESCO über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen vom 20. Oktober 2005,

–   in Kenntnis des Weltatlas der UNESCO zu bedrohten Sprachen,

–   unter Hinweis auf die Entschließung des Kongresses der Gemeinden und Regionen Europas des Europarats vom 18. März 2010 mit dem Titel „Minderheitensprachen – ein wertvolles Gut für die regionale Entwicklung“ (301 (2010))(1),

–   unter Hinweis auf das Dokument Nr. 12423 (Bericht aus dem Jahr 2010), die Entschließung 1769 (2010) und die Empfehlung 1944 (2010) des Europarats,

–   unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 18. September 2008 mit dem Titel „Mehrsprachigkeit: Trumpfkarte Europas, aber auch gemeinsame Verpflichtung“ (COM(2008)0566),

–   unter Hinweis auf die Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zu Schlüsselkompetenzen für lebensbegleitendes Lernen(2),

–   in Kenntnis der Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zum Thema „Schutz und Entwicklung alteingesessener sprachlicher Minderheiten im Rahmen des Vertrags von Lissabon“(3),

–   in Kenntnis der Entschließung des Rates vom 21. November 2008 zu einer europäischen Strategie für Mehrsprachigkeit(4),

–   unter Hinweis auf die am 5. November 1992 zur Unterzeichnung aufgelegte Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarats,

–   unter Hinweis auf die allgemeine Erklärung der Sprachenrechte (1996),

–   unter Hinweis auf das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten (1995),

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. Januar 2004 zu der Erhaltung und der Förderung der kulturellen Vielfalt: die Rolle der europäischen Regionen und internationaler Organisationen wie der UNESCO und des Europarates(5), sowie auf seine Entschließung vom 4. September 2003 zu den regionalen und weniger verbreiteten europäischen Sprachen – den Sprachen der Minderheiten in der Europäischen Union – unter Berücksichtigung der Erweiterung und der kulturellen Vielfalt(6),

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. Januar 2003 zu der Rolle der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften im europäischen Aufbauwerk(7) und den darin enthaltenen Verweis auf die sprachliche Vielfalt in Europa,

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 24. März 2009 zur Mehrsprachigkeit: Trumpfkarte Europas, aber auch gemeinsame Verpflichtung (8),

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 25. September 2008 zu gemeinnützigen Bürger- und Alternativmedien in Europa(9),

–   unter Hinweis auf Artikel 48 seiner Geschäftsordnung,

–   unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für Kultur und Bildung (A7-0239/2013),

A. in der Erwägung, dass im Vertrag von Lissabon der Wahrung und Förderung des kulturellen und sprachlichen Erbes in seiner ganzen Vielfalt als einem der Ziele der Europäischen Union große Bedeutung beigemessen wird;

B.  in der Erwägung, dass die Vielfalt der Kulturen und Sprachen gemäß Artikel 22 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, in dem es heißt „Die Union achtet die Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen“, ein Grundprinzip der Europäischen Union darstellt;

C. in der Erwägung, dass die Sprachenvielfalt gemäß den Artikeln 21 und 22 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union als Grundrecht anerkannt ist, woraus sich ergibt, dass der Versuch, einer einzigen Sprache absoluten Vorrang einzuräumen, eine Einschränkung und Verletzung der Grundwerte der Europäischen Union darstellt;

D. in der Erwägung, dass vom Aussterben bedrohte Sprachen als Teil des kulturellen Erbes Europas gelten sollten und nicht als Vehikel für politische, ethnische oder territoriale Bestrebungen betrachtet werden dürfen;

E.  in der Erwägung, dass alle Sprachen Europas in Bezug auf Wert und Würde gleich sind, dass sie integraler Bestandteil seiner Kulturen und Gesellschaften sind und dass sie eine Bereicherung für die Menschheit darstellen;

F. in der Erwägung, dass mehrsprachige Gesellschaften, in denen sozialer Zusammenhalt herrscht und die Sprachenvielfalt demokratisch gehandhabt wird und die nachhaltig zur Förderung der Pluralität beitragen, offener und besser in der Lage sind, ihre Sprachenvielfalt als Reichtum zu begreifen und daraus zu schöpfen;

G. in der Erwägung, dass alle Sprachen, einschließlich der vom Aussterben bedrohten Sprachen, historische, soziale und kulturelle Kenntnisse und Fähigkeiten sowie eine Denk- und Schaffensweise widerspiegeln, die zum Reichtum und zur Vielfalt der Europäischen Union beitragen und die Grundlage der europäischen Identität darstellen; in der Erwägung, dass die Sprachenvielfalt als Gewinn und nicht als Last betrachtet und folglich unterstützt und gefördert werden sollte, zumal, wenn noch Sprachen gesprochen werden, die vom Aussterben bedroht sind;

H. in der Erwägung, dass die UNESCO in ihrem Weltatlas zu bedrohten Sprachen darauf hinweist, dass eine Sprache dann vom Aussterben bedroht ist, wenn sie eines oder mehrere der nachfolgenden wissenschaftlichen Kriterien nicht mehr erfüllt oder in Bezug auf diese Kriterien schwach abschneidet: Weitergabe der Sprache von Generation zu Generation; Gesamtzahl der Sprecher; prozentualer Anteil der Sprecher an der Gesamtbevölkerung; Verwendung der Sprache in verschiedenen öffentlichen und privaten Sektoren; Reaktion auf die neuen Medien; Verfügbarkeit von Lehr- und Unterrichtsmitteln zum Erlernen einer Sprache; Einstellung der Regierung und der Behörden zu Sprachen und Sprachenpolitik, einschließlich des offiziellen Status einer Sprache und deren Verwendung; Einstellung der Mitglieder einer Gemeinschaft gegenüber ihrer eigenen Sprache; Art und Qualität von Schriftstücken;

I.   in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten gemäß dem Übereinkommen der UNESCO über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen geeignete Maßnahmen zum Schutz kultureller Aktivitäten, Güter und Dienstleistungen, darunter auch Maßnahmen im Hinblick auf die im Zusammenhang mit diesen Aktivitäten, Gütern und Dienstleistungen verwendeten Sprachen, ergreifen können, um die Vielfalt kultureller Ausdrucksformen sowohl im Hoheitsgebiet der Parteien dieses Übereinkommens als auch im Rahmen internationaler Übereinkommen zu fördern;

J.   in der Erwägung, dass die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarats, die von 16 Mitgliedstaaten der Union ratifiziert worden ist, als Referenz für den Schutz vom Aussterben bedrohter Sprachen und als Instrument für den Schutz von Minderheiten dient – zwei der Kopenhagener Kriterien, die Staaten, welche der EU beitreten wollen, erfüllen müssen;

K. in der Erwägung, dass es nach Angaben der UNESCO in allen Ländern Europas, in den europäischen Überseegebieten und innerhalb der fahrenden Gemeinschaften der EU Sprachen gibt, die von Generation zu Generation lediglich mündlich überliefert werden und als vom Aussterben bedroht angesehen werden sollten; in der Erwägung, dass für einige vom Aussterben bedrohte europäische Sprachen, die von Gemeinschaften in Grenzregionen gesprochen werden, je nach Mitgliedstaat oder Region, in der die Sprecher dieser Sprachen leben, das Schutzniveau höchst unterschiedlich ist;

L.  in der Erwägung, dass deshalb in einzelnen Ländern und Regionen selbst solche Minderheiten- oder Regionalsprachen, die in den benachbarten Ländern Amts- und Mehrheitssprache sind, bedroht oder im Aussterben begriffen sind;

M. in der Erwägung, dass die Vielfalt an Sprachen und Kulturen – ebenso wie die Artenvielfalt in der Natur – Teil des lebendigen europäischen Erbes ist, das für eine nachhaltige Entwicklung unserer Gesellschaften notwendig ist, und dass diese daher geschützt und vor dem Risiko des Aussterbens bewahrt werden müssen;

N. in der Erwägung, dass mit der Achtung der Sprachenvielfalt ein positiver Beitrag zum sozialen Zusammenhalt geleistet wird, weil dadurch das gegenseitige Verständnis, das Selbstbewusstsein und die Offenheit zunehmen; in der Erwägung, dass mit der Sprachenvielfalt der Zugang zur Kultur gefördert wird, ein Beitrag zu Kreativität und zur Erlangung interkultureller Kompetenzen geleistet sowie die Zusammenarbeit von Völkern und Staaten vorangebracht wird;

O. in der Erwägung, dass die Union gemäß Artikel 167 des Vertrags von Lissabon „einen Beitrag zur Entfaltung der Kulturen der Mitgliedstaaten unter Wahrung ihrer nationalen und regionalen Vielfalt“ leistet, und daher nicht nur Maßnahmen zur Wahrung und zum Erhalt des Reichtums ihres sprachlichen Erbes als Teil ihrer Vielfalt fördert, sondern neben den Maßnahmen der Mitgliedstaaten auch die Mehrung und die Förderung dieses Erbes vorantreibt;

P.  in der Erwägung, dass sich der Begriff der Sprachenvielfalt in der Europäischen Union nicht nur auf die Amtssprachen bezieht, sondern auch auf die der Amtssprache gleichgestellten Sprachen, die Regionalsprachen und die Sprachen, die in den jeweiligen Mitgliedstaaten nicht offiziell anerkannt sind;

Q. in der Erwägung, dass zu der Kategorie der vom Aussterben bedrohten Sprachen auch solche Sprachen gehören, die nur in einem bestimmten Gebiet vom Aussterben bedroht sind, in dem die Zahl derjenigen, die diese Sprache sprechen, erheblich im Rückgang begriffen ist, sowie die Fälle, in denen den Statistiken aufeinander folgender Volkszählungen zufolge ein dramatischer Rückgang der Zahl der Menschen, die eine bestimmte Sprache sprechen, zu verzeichnen ist;

R.  in der Erwägung, dass auch Amtssprachen von Mitgliedstaaten in verschiedenen Gebieten der Union bedrohte Sprachen sein können;

S.  in der Erwägung, dass den vom Aussterben bedrohten Sprachen aufgrund der Dringlichkeit der Umstände besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte, wobei in diesem Zusammenhang Multikulturalismus und Mehrsprachigkeit anerkannt werden und Maßnahmen zum Abbau von Vorurteilen gegenüber den vom Aussterben bedrohten Sprachen umgesetzt werden sollten; in der Erwägung, dass zudem auf nationaler und auf europäischer Ebene ein gegen Assimilation gerichtetes Konzept angenommen werden sollte;

T.  in der Erwägung, dass Unterricht in der Muttersprache am effizientesten ist;

U. in der Erwägung, dass Kinder, die von klein auf ihre Muttersprache und parallel dazu eine Amtssprache erlernen, eine natürliche Begabung für das Erlernen mehrerer Sprachen besitzen und dass diese Mehrsprachigkeit für junge Europäer später ein großer Vorteil ist;

V. in der Erwägung, dass die vom Aussterben bedrohten Sprachen in Europa weniger gefährdet sein dürften, wenn gewährleistet wird, dass die betreffende Sprache in der öffentlichen Verwaltung und in der Justiz grundsätzlich anteilig, gleichberechtigt und im Interesse der Vielfalt verwendet wird;

W. in der Erwägung, dass die Erhaltung und Weitergabe einer Sprache sehr häufig durch informelles oder nicht formales Lernen erfolgt und dass es wichtig ist, die Rolle, die ehrenamtlich tätige Organisationen und künstlerische Kreise sowie Künstler in diesem Zusammenhang spielen, anzuerkennen;

X. in der Erwägung, dass der Frage der vom Aussterben bedrohten Sprachen im Rahmen der Politik der Mehrsprachigkeit der Kommission nicht genug Aufmerksamkeit gewidmet wird; in der Erwägung, dass in den letzten beiden mehrjährigen Finanzrahmen (2000-2007 und 2007-2013) die finanzielle Unterstützung für diese Sprachen drastisch reduziert wurde, was zur weiteren Verschärfung der entsprechenden Probleme beigetragen hat, und dass dies im nächsten mehrjährigen Finanzrahmen (2014-2020) nicht so weitergehen darf;

1.  fordert die Europäische Union und die Mitgliedstaaten auf, sich intensiver mit der extremen Bedrohung, der viele als bedroht eingestufte europäische Sprachen ausgesetzt sind, zu befassen und sich voll und ganz für den Schutz und die Förderung der einzigartigen Vielfalt des sprachlichen und kulturellen Erbes der Union einzusetzen, indem sie für die betroffenen Sprachen von sich aus Wiederbelebungsmaßnahmen ergreifen und für diese Zwecke Mittel in angemessener Höhe bereitstellen; empfiehlt, mit diesen Maßnahmen bei den Unionsbürgern ein stärker ausgeprägtes Bewusstsein für den diesen Gemeinschaften innewohnenden sprachlichen und kulturellen Reichtum reifen zu lassen; empfiehlt den Mitgliedstaaten, auf der Grundlage gemeinsamer bewährter Verfahren, die in einigen Sprachgemeinschaften in Europa bereits praktiziert werden, Aktionspläne zur Förderung der vom Aussterben bedrohten Sprachen zu erstellen;

2.  fordert die Regierungen der Mitgliedstaaten auf, sämtliche Praktiken zu verurteilen, die durch die Diskriminierung der Sprache oder durch erzwungene oder verdeckte Assimilation gegen die Identität, den Gebrauch der Sprache und die Kulturinstitutionen der gefährdeten Sprachgemeinschaften gerichtet waren oder sind;

3.  fordert alle Mitgliedstaaten, die dies bisher noch nicht getan haben, auf, die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen zu ratifizieren und umzusetzen; weist darauf hin, dass im Rahmen der Charta Maßstäbe für den Schutz vom Aussterben bedrohter Sprachen gesetzt werden und sie als eines der in den Kopenhagener Kriterien festgelegten Instrumente zum Schutz von Minderheiten fungiert, die Staaten erfüllen müssen, wenn sie der EU beitreten wollen;

4.  fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, ihren Verpflichtungen nachzukommen, die sie durch den Beitritt zum UNESCO-Übereinkommen von 2005 über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen sowohl in ihrem eigenen Hoheitsgebiet als auch im Rahmen internationaler Übereinkommen eingegangen sind;

5.  fordert die Institutionen der EU auf, die Achtung der Sprachenvielfalt und insbesondere den Schutz der am stärksten bedrohten europäischen Sprachen de facto als Voraussetzungen zu formulieren, die alle Staaten erfüllen müssen, die die EU-Mitgliedschaft anstreben;

6.  fordert die Kommission, die Regierungen der Mitgliedstaaten und die regionalen Gebietskörperschaften auf, Programme aufzulegen, die darauf abzielen, den gefährdeten sprachlichen oder ethnischen Gemeinschaften mit mehr Toleranz zu begegnen, ihre sprachlichen und kulturellen Werte zu achten und ihnen gesellschaftliche Wertschätzung entgegenzubringen;

7.  weist die Regierungen der Mitgliedstaaten und die regionalen Gebietskörperschaften darauf hin, dass der Fortbestand einer gefährdeten Sprache mit der Erhaltung und Weiterentwicklung der sprachtragenden Gemeinschaft einhergeht und dass folglich bei der Gestaltung der politischen Maßnahmen zu ihrem Schutz neben den kultur- und bildungspolitischen Aspekten auch der wirtschaftlichen und sozialen Dimension Rechnung getragen werden muss;

8.  fordert die Kommission auf, Vorschläge für konkrete politische Maßnahmen zum Schutz der vom Aussterben bedrohten Sprachen vorzulegen; fordert die Kommission und den Rat darüber hinaus auf, die Politik und die Programme der Union im Rahmen ihrer Zuständigkeiten gemäß den Bestimmungen des Vertrags so anzupassen, dass bedrohte Sprachen und die Sprachenvielfalt im Zeitraum 2014–2020 unterstützt werden können und dabei Finanzierungsinstrumente der EU für den Zeitraum 2014–2020 zur Anwendung kommen, etwa Programme zur Dokumentation dieser Sprachen sowie Programme für Bildung und Berufsausbildung, soziale Inklusion, Jugend und Sport, Forschung und Entwicklung, das Programm für Kultur und Medien, die Strukturfonds (Kohäsionsfonds, EFRE, ESF, Europäische territoriale Zusammenarbeit, ELER) sowie alle Instrumente und Austauschplattformen zur Förderung der neuen Technologien, alle sozialen Medien und Multimediaplattformen, wobei auch die Schaffung von Inhalten und Anwendungen zu fördern ist; ist der Auffassung, dass im Rahmen dieser Instrumente Programme und Maßnahmen im Mittelpunkt stehen sollten, die – kulturell oder wirtschaftlich – positiv und breit aufgestellt sind, und zwar über ihre Gemeinschaft und ihre Region hinaus; fordert die Kommission auf, sich mit den administrativen und legislativen Hindernissen zu befassen, mit denen Vorhaben im Zusammenhang mit gefährdeten Sprachen aufgrund der geringen Größe der betroffenen Sprachgemeinschaften konfrontiert sind;

9.  weist darauf hin, dass kein Aufschub möglich ist, und fordert daher, dass die Mittel für Schutzmaßnahmen möglichst klar zugewiesen und ohne Umstand abgerufen werden können, damit diejenigen, die diese Mittel nutzen wollen, innerhalb eines gegebenen Zeitraums in die Lage versetzt werden, die vom Aussterben bedrohten Sprachen auch wirklich zu unterstützen;

10. ist der Auffassung, dass die Europäische Union die Mitgliedstaaten darin unterstützen und fördern sollte, eine Sprachenpolitik zu verfolgen, die es Kindern ermöglicht, von klein auf die bedrohte Sprache als Muttersprache zu erwerben; betont, dass wissenschaftlich nachgewiesen wurde, dass die Förderung des Erwerbs einer oder mehrerer Sprachen Kindern bei der späteren Erlernung zusätzlicher Sprachen zugutekommen würde und gleichzeitig die Weitergabe von Sprachen von einer Generation zur nächsten fördern und Sprechern von bedrohten Sprachen praktische Unterstützung angedeihen lassen würde, was wiederum der Weitergabe einer Sprache von Generation zu Generation in Gegenden, wo diese bedroht sind, Auftrieb geben würde;

11. plädiert dafür, vom Aussterben bedrohte Sprachen verstärkt zu unterrichten, und zwar mithilfe geeigneter Methoden für Lernende aller Altersgruppen sowie für den Fernunterricht, damit sich eine EU-Bürgerschaft auf der Grundlage von Multikulturalismus und sprachlicher Vielfalt herausbilden kann;

12. nimmt die Programme der Kommission im Bereich Mehrsprachigkeit zur Kenntnis; ist der Auffassung, dass es Projektträgern möglich sein sollte, diese Chancen zu nutzen, und fordert die Kommission unter Hinweis darauf, dass die Sprachgemeinschaften, die um den Erhalt einer vom Aussterben bedrohten Sprache kämpfen, häufig zahlenmäßig kleine Bevölkerungsgruppen sind, auf, solchen Programmen nicht aufgrund einer niedrigen finanziellen Beteiligung, der begrenzten Anzahl von Begünstigten oder der geringen Größe des betreffenden Gebiets die Förderfähigkeit abzusprechen, sondern den Zugang zu solchen Programmen zu fördern sowie über die Programme und die Förderfähigkeit im Zusammenhang mit den Programmen zu informieren; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, als Vermittler und Unterstützer dieser kleinen Sprachgruppen und -gemeinschaften zu agieren, die aus europäischen Mitteln finanziert werden sollen, weist jedoch gleichzeitig darauf hin, dass die EU-Mittel für die Förderung der Sprachenvielfalt weder zweckentfremdet noch zur Unterstützung von Maßnahmen eingesetzt werden sollten, bei denen vom Aussterben bedrohte Sprachen als Mittel zur Verfolgung anderweitiger politischer Ziele eingesetzt werden;

13. vertritt die Auffassung, dass die Wiederbelebung von Sprachen ein langfristiges Vorhaben darstellt, in dessen Rahmen unterschiedliche, koordinierte Maßnahmen zu planen sind, bei denen mehrere Bereiche, insbesondere die Bildung (allen voran die Vor- und Grundschulbildung als wichtige Faktoren zusammen mit dem Sprachunterricht für die Eltern), Medienprogramme (mit der Möglichkeit, Rundfunk- und Fernsehanstalten einzurichten und auszubauen), die Verwaltung, der Bereich Kunst und alle Bereiche des öffentlichen Lebens eingebunden sind, weshalb die Mittel auch langfristig bereitgestellt werden müssen; ist der Auffassung, dass für die Ausarbeitung derartiger Programme, für den Austausch bewährter Verfahren zwischen Sprachgemeinschaften und für die Einführung von Bewertungsverfahren Unterstützung bereitgestellt werden sollte;

14. weist erneut darauf hin, dass die Bemühungen, überwiegend mündlich gebrauchte Sprachen zu standardisieren, weitergeführt werden müssen;

15. fordert die Mitgliedstaaten auf, der Hochschulbildung und der Forschung mehr Aufmerksamkeit zu widmen und diese zu unterstützen, wobei die vom Aussterben bedrohten Sprachen besonders in den Mittelpunkt gestellt werden sollten;

16. ist der Auffassung, dass die neuen Technologien dazu dienen können, die Kenntnis, die Verbreitung, die Lehre und den Erhalt der vom Aussterben bedrohten europäischen Sprachen zu fördern;

17. hält es für wichtig, dass vom Aussterben bedrohte Sprachen in der Familie von Generation zu Generation weitergegeben werden und dass das Erlernen von Sprachen, die vom Aussterben bedroht sind, erforderlichenfalls innerhalb eines spezifischen Bildungssystems gefördert wird; fordert die Mitgliedstaaten und die regionalen Gebietskörperschaften auf, zu diesem Zweck bildungspolitische Maßnahmen und Lehrmaterialien zu entwickeln;

18. ist der Ansicht, dass es für die Wiederbelebung von Sprachen gleichermaßen wichtig ist, dass marginalisierte und überwiegend in den geschlossenen Kreis der Familie zurückgedrängte Sprachen auch öffentlich in der Gesellschaft gebraucht werden dürfen;

19. fordert die Kommission auf, mit den internationalen Organisationen zusammenzuarbeiten, die Programme und Initiativen zum Schutz und zur Förderung vom Aussterben bedrohter Sprachen aufgelegt haben, unter anderem mit der UNESCO und dem Europarat;

20. empfiehlt, dass die Mitgliedstaaten die Entwicklung der am stärksten gefährdeten Sprachen beobachten und dass sich die staatlichen Stellen sowie die Gebietskörperschaften jener Gebiete mit eigener Sprache daran beteiligen, unabhängig davon, ob es sich um Amtssprachen handelt oder nicht;

21. ist der Auffassung, dass die Medien, insbesondere die neuen Medien, beim Schutz der vom Aussterben bedrohten Sprachen eine wichtige Rolle spielen können, und zwar insbesondere für künftige Generationen; weist ferner mit Nachdruck darauf hin, dass auch neue Technologien für diese Zwecke eingesetzt werden könnten;

22. fordert angesichts des Umstands, dass der Tod des letzten Sprechers einer Sprache gemeinhin gleichbedeutend mit deren Aussterben ist, insbesondere die lokalen Gebietskörperschaften zu Wiederbelebungsmaßnahmen auf, um hier Abhilfe zu schaffen;

23. stellt fest, dass die Digitalisierung ein Mittel sein kann, dem Aussterben von Sprachen entgegenzuwirken, und fordert in diesem Zusammenhang die lokalen Gebietskörperschaften dazu auf, Bücher und Aufnahmen in diesen Sprachen sowie alle anderen Formen sprachlichen Erbes zusammenzutragen und im Internet bereitzustellen;

24. schlägt vor, dass Gemeinschaften, in denen eine vom Aussterben bedrohte Sprache gesprochen wird, von der internationalen Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten zu der Erkenntnis bewegt werden sollten, dass die Verwendung und der Erhalt ihrer eigenen Sprache sowohl für ihre Gemeinschaft als auch für Europa einen Gewinn darstellt;

25. fordert die Kommission auf, durch ihre verschiedenen Programme transnationale Netze und Initiativen sowie Maßnahmen von europäischer Dimension, die der Förderung bedrohter Sprachen dienen sollen, kontinuierlich zu unterstützen, und betont, dass sie sich aktiv daran beteiligen muss, den von der UNESCO erstellten Weltatlas zu bedrohten Sprachen zu vervollständigen, in regelmäßigen Abständen zu veröffentlichen und einheitliche Indikatoren zu fördern, die es ermöglichen, den Zustand jeder Sprache und die Ergebnisse politischer Maßnahmen, die getroffen werden, um ihr Aussterben zu verhindern, zu beobachten;

26. fordert die Kommission auf, die mit der Euromosaik-Studie begonnenen Untersuchungen fortzusetzen und Fälle zu ermitteln, in denen auf nationaler Ebene vorgreifend Maßnahmen getroffen wurden, die dazu geführt haben, dass eine europäische Sprache nicht mehr so stark vom Aussterben bedroht war; empfiehlt den Austausch von Wissen, Fachkenntnissen und bewährten Verfahren zwischen den einzelnen Sprachgemeinschaften, die Durchführung von Bewertungen der in den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen zur Wahrung, zum Schutz und zur Förderung bedrohter Sprachen durch europäische Sprachnetzwerke und die Förderung bedrohter Sprachen sowie die Veröffentlichung entsprechender Empfehlungen durch die Kommission;

27. fordert die Kommission auf, die Forschung im Bereich der vom Aussterben bedrohten Sprachen und den Erwerb sowie die Wiederbelebung dieser Sprachen zu unterstützen und die kognitiven und gesellschaftlichen Vorteile der Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit von EU-Bürgern hervorzuheben;

28. fordert alle Mitgliedstaaten, die dies noch nicht getan haben, zur Unterzeichnung und Ratifizierung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen (1992) und des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten (1995) auf;

29. fordert die Kommission auf, Maßnahmen zum Schutz bedrohter Sprachen in der Union vorzusehen;

30. fordert die Kommission ferner auf, Pilotprojekte, mit denen der Gebrauch bedrohter Sprachen gefördert wird, ebenso zu unterstützen wie Förderprogramme, die von den einzelnen Sprachgemeinschaften selbst entwickelt wurden;

31. vertritt die Auffassung, dass die Union in ihren Beziehungen zu Drittstaaten die Sprachenvielfalt fördern muss, und zwar insbesondere in den Ländern, die der EU beitreten möchten;

32. fordert die Kommission auf, spezifische europäische Maßnahmen im Hinblick auf den Erhalt, den Schutz und die Förderung bedrohter Sprachen in Erwägung zu ziehen;

33. hält Programme zur Förderung der Mehrsprachigkeit für die politischen Strategien der EU gegenüber den Nachbar-/Bewerberländern und potenziellen Bewerberländern für wesentlich;

34. ist der Auffassung, dass die Kommission bei der Unterstützung der Wiederbelebung der Sprachen vor allem Initiativen im Bereich der digitalen Medien, einschließlich der sozialen Medien, in den Vordergrund stellen sollte, damit gewährleistet ist, dass jüngere Generationen sich für die vom Aussterben bedrohten Sprachen engagieren;

35. ist der Auffassung, dass die Kommission der Tatsache Rechnung tragen sollte, dass einige Mitgliedstaaten und Regionen den Fortbestand bestimmter Sprachen innerhalb ihrer Grenzen mit ihrer Politik gefährden, auch wenn diese Sprachen im europäischen Kontext nicht bedroht sind;

36. weist auf die nützlichen Websites hin, auf denen Informationen zu EU-Programmen bereitgestellt werden, in deren Rahmen Mittel für Projekte zur Förderung vom Aussterben bedrohter Sprachen zur Verfügung gestellt werden, und fordert die Kommission auf, eine Ausschreibung in die Wege zu leiten, um diese Websites zu aktualisieren, damit die neuen Programme für den Zeitraum 2014–2020 dort erfasst werden, und mehr Informationen zu diesem Thema bereitzustellen, und zwar insbesondere für die betroffenen Sprachgemeinschaften;

37. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

(1)

https://wcd.coe.int/ViewDoc.jsp?id=1671947&Site=DC

(2)

ABl. L 394 vom 30.12.2006, S. 10.

(3)

ABl. C 259 vom 2.9.2011, S. 31.

(4)

ABl. C 320 vom 16.12.2008, S. 1.

(5)

ABl. C 92 E vom 16.4.2004, S. 322.

(6)

ABL. C 76 E vom 25.3.2004, S. 374.

(7)

ABL. C 38 E vom 12.2.2004, S. 167.

(8)

ABL. C 117 E vom 6.5.2010, S. 59.

(9)

ABL. C 8 E vom 14.1.2010, S. 75.


ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS

Datum der Annahme

18.6.2013

 

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

30

0

0

 

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Zoltán Bagó, Lothar Bisky, Piotr Borys, Jean-Marie Cavada, Silvia Costa, Santiago Fisas Ayxela, Lorenzo Fontana, Mary Honeyball, Petra Kammerevert, Emma McClarkin, Emilio Menéndez del Valle, Marek Henryk Migalski, Katarína Neveďalová, Doris Pack, Chrysoula Paliadeli, Monika Panayotova, Gianni Pittella, Marie-Thérèse Sanchez-Schmid, Marietje Schaake, Marco Scurria, Hannu Takkula, László Tőkés, Helga Trüpel, Sabine Verheyen, Milan Zver

 

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter(innen)

François Alfonsi, Liam Aylward, Ivo Belet, Nadja Hirsch, Iosif Matula, Georgios Papanikolaou, Kay Swinburne, Inês Cristina Zuber

 

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv.(Art. 187 Abs. 2)

Vasilica Viorica Dăncilă

 
           
Letzte Aktualisierung: 29. August 2013